Erhalten Medien in Deutschland Vorgaben, wie sie berichten dürfen?

By Team GeschichtsCheck, 3. Oktober 2016

Auf einen Blick

  • Die Pressefreiheit ist in Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt, eine staatliche Zensur ist verboten und findet nicht statt
  • Vorgaben zur Berichterstattung wären schwer umsetzbar und ließen sich in der heutigen Medienwelt kaum geheim halten
  • Auch Journalistinnen und Journalisten müssen sich an das geltende Recht halten, ob sie das tun, kann vor Gericht öffentlich überprüft werden

Im Bild

Kevin Simpson [3], Television, Blur, Text von GeschichtsCheck, CC BY-SA 2.0

Kevin Simpson [3]Television, Blur, Text von GeschichtsCheck, CC BY-SA 2.0

Lesestoff

„Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ ((Grundgesetz, Art. 5, https://dejure.org/gesetze/GG/5.html [05.10.2016].)) Historisch betrachtet ist die im Grundgesetz festgeschriebene Pressefreiheit tatsächlich eine moderne Erfindung: In vielen deutschen Staaten des 18. bis 20. Jahrhunderts gab es eine strenge Zensur. Die Nationalsozialisten schalteten die Presse gleich und machten sie zum Werkzeug der Propaganda, ((Arnulf Scriba: Die NS-Propagada, in: DHM/Lebendiges Museum Online, 14.07.2015, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/innenpolitik/propaganda [05.10.2016].)) auch in der Deutschen Demokratischen Republik wurden – wie in anderen totalitären Staaten bis heute – alle Medien unter staatliche Kontrolle gestellt. ((Michael Meyen, Anke Fiedler: Blick über die Mauer: Medien in der DDR, in: Informationen zur politischen Bildung 309, 08.06.2011, http://www.bpb.de/izpb/7560/blick-ueber-die-mauer-medien-in-der-ddr [05.10.2016].))

In der Bundesrepublik Deutschland hingegen versuchte man einen kompletten Neuanfang ohne staatliche Zensur. Heute belegt Deutschland in der „Rangliste der Pressefreiheit“, die von der Journalisten-Organisation „Reporter ohne Grenzen“ jedes Jahr aufstellt wird, den 12. von ingesamt 180 Plätzen. ((Reporter ohne Grenzen (Hrsg.): Rangliste der Pressefreiheit 2015, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Presse/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2015/Rangliste_der_Pressefreiheit_2015.pdf [05.10.2016].)) Zur Begründung heißt es in dem Bericht, in Deutschland würden Journalist*innen von Dritten immer wieder angefeindet und teilweise bedroht. Zudem seien sie nicht ausreichend vor einer Überwachung durch Polizei und Nachrichtendienste geschützt. ((Reporter ohne Grenzen (Hrsg.): Rangliste der Pressefreiheit 2015. Pressefreiheit in Deutschland, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Presse/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2015/150211_Nahaufnahme_Deutschland.pdf [05.10.2016].))

Viele Journalist*innen haben jeden Tag Kontakt zu Politiker*innen, zum Beispiel bei Pressekonferenzen, Interviews oder auch vertraulichen Hintergrundgesprächen. Trotzdem wird längst nicht alles, was dort besprochen wird, sofort veröffentlicht. Bis zu einem gewissen Grad sind beide Gruppen voneinander abhängig: Medien können der Politik die Aufmerksamkeit eines großen Publikums bieten, sind aber andererseits an wichtigen oder exklusiven Informationen interessiert, über die zunächst nur die Politik verfügt. ((Jürgen Wilke: Funktionen und Probleme der Medien, 31.05.2012, http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/139163/funktionen-und-probleme [05.10.2016].))

Gerade deshalb wären die Politiker*innen oder gar Regierungen schlecht beraten, Medien Vorgaben zu ihrer Arbeit machen zu wollen: Die Schlagzeile „Politiker*in versucht Einfluss auf Medien zu nehmen“ würde einen großen Skandal bedeuten, der sich – Pressefreiheit sei dank – kaum vertuschen ließe. Das bekannteste Beispiel für so einen Skandal ist die „Spiegel“-Affäre im Jahr 1962: Damals wurden Journalisten der Zeitschrift „Der Spiegel“ beschuldigt, Staatsgeheimnisse verraten zu haben (und von diesem Vorwurf letztlich entlastet). ((Siehe http://www.spiegel-affaere.de [05.10.2016].)) Heutzutage lassen sich Verstöße gegen die Pressefreiheit, Internet und Sozialen Netzwerken sei dank, kaum geheim halten.

Grundsätzlich gilt aber, dass sich auch Journalist*innen an allgemeine Gesetze halten müssen. Sie dürfen zum Beispiel niemanden grundlos beleidigen oder Gewaltdarstellungen veröffentlichen, die gegen den Jugendschutz verstoßen. ((Jürgen Wilke: Rechtliche Rahmenbedingungen der Medien, 31.05.2012, http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/139159/rechtliche-rahmenbedingungen [05.10.2016].)) . Ob eine Veröffentlichung gegen das Recht verstößt, wird im Zweifel vor einem öffentlichen Gericht verhandelt. Kritik – auch harte – am Staat, der Regierung oder anderen ist aber grundsätzlich erlaubt.

Besonders oft wird den Radio- und Fernsehsendern von ARD und ZDF unterstellt, „Vorgaben“ von oben zu erhalten. Tatsächlich war die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender lange Zeit umstritten. So wollte der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer noch eine Art Staatsrundfunk gründen. Dazu kam es allerdings nie. Das Bundesverfassungsgericht entschied in mehreren „Fernseh-Urteilen“, dass Radio und Fernsehen zwar von den Bundesländern organisiert und dafür Gebühren erhoben werden dürften, die Inhalte aber „staatsfern“ sein zu sein hätten: Der Einfluss der Politik müsse so gering wie möglich bleiben. ((Annette Hinz-Wessels/Regina Haunhorst: Fernsehen, in: Lebendiges Museum Online/DHM, 05.05.2003, http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/bundesrepublik-im-wandel/fernsehen.html [05.10.2016].))

Dennoch sind in den Rundfunkräten, die die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland beaufsichtigen, bis heute auch Politiker*innen Mitglied. Am Beispiel des ZDF-Verwaltungsrates entschied das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2014, dass höchstens ein Drittel aller Mitglieder aus der Politik kommen dürfen. ((Bundesverfassungsgericht, Urteil des Ersten Senats vom 25. März 2014, Az. 1 BvF 1/11, http://www.bverfg.de/e/fs20140325_1bvf000111.html [05.10.2016].))  Deren Einfluss auf die alltägliche Arbeit in den öffentlich-rechtlichen Redaktionen ist aber eher gering. Auch dort könnte sich Reporter*innen keine Vorschriften von der Politik machen lassen, ohne die eigene Glaubwürdigkeit zu riskieren.

Unabhängig davon haben die meisten Journalist*innen persönliche Überzeugungen, die sie dank Meinungs- und Pressefreiheit ungehindert verbreiten dürfen. Manche von ihnen wechseln aus dem Journalismus in die Politik, auch für den umgekehrten Weg gibt es viele Beispiele. Wenn Politiker*innen aber Journalist*innen beeinflussen wollten, wären „Vorgaben“ dennoch nicht das geeignete Mittel dazu.